268

Er wächst und wächst und wächst – der deutsche E-Commerce

Gebot der Stunde: Projekte vorausschauend dimensionieren

Der von LogistikPlan vorgelegte Retail-Forecast 2019 prognostiziert einen weiteren Zuwachs des E-Commerce-Marktvolumens um jährlich rund 8 Mrd. Euro in Deutschland – vor allem in den Sparten Fashion und Elektronik.

Shopping via Smartphone

Im Vergleich zum Retail-Forecast 2018 haben sich die Vorzeichen leicht eingetrübt: Seit dem 2. Quartal 2018 liegt die Konsumstimmung der Privatverbraucher jeweils unter dem Niveau des Vorjahres. Die Verbraucher erwarten eine Abkühlung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums – ähnlich wie Unternehmen und Konjunkturforschungsinstitute. Das bewirkt mehrere Effekte: Die Handelsbranche wird ihr Wachstum verlangsamen und sich strukturell konsolidieren. Euphorisch wachsende Onlinehändler prüfen anstehende Investitionen genauer, kalkulieren vorsichtiger und dimensionieren ihre Projekte vorausschauender. So stellt sich im Elektronikhandel der Zuwachs bis 2022 um 6 auf 23 Mrd. Euro etwas verhaltener dar als bisher prognostiziert. Möbel und Haushaltartikel dürften in diesem Zeitraum um gut 6 Mrd. Euro zulegen. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau: Der E-Commerce-Anteil am Einzelhandels-Umsatz soll weiterhin stark überproportional zunehmen. Nicht nur deshalb, weil die kapitalstarken Marktführer ihre Infrastruktur, Performance und Marktposition weiter ausbauen werden. Klassische Händler stellen sich dem Wettbewerb und intensivieren Online-Angebote und Versandlogistik.

Stabiler Aufwärtstrend vor Fortsetzung?

Laut ibi research wird sich in Deutschland der E-Commerce-Anteil am Einzelhandels-Umsatz zum heutigen Stand fast verdoppeln – von aktuell rund 9 Prozent auf 15 bis 20 Prozent im Jahr 2023. Vor allem die Fashion-Sparte soll bis 2022 weiter rasant wachsen: Ihr Onlineumsatz könnte laut dem Statista Digital Market Outlook (DMO) um stolze 66 Prozent steigen – um 9 auf dann ca. 23 Mrd. Euro. Und das Kölner IFH rechnet je nach künftiger Handelskonjunktur schon für 2021 mit einem gesamten Online-Umsatz zwischen 70 bis 98 Mrd. Euro. Bislang greift das mittlere Szenario. Setzt sich der historisch stabile Trend fort, entspräche das einem Plus von jährlich rund 8 Mrd. Euro. Der Lebensmittelhandel bleibt auch zukünftig mit 6 Prozent Anteil am E-Commerce verhältnismäßig klein. Die Marktführer im E-Commerce wachsen hingegen ungebremst. Aktuell dürfte der Marktanteil von Amazon am deutschen Internethandel zwischen 53 und 64 Prozent erreicht haben. Auch andere Handelsriesen wie Metro, Zalando oder Otto investieren weiter in die Expansion ihrer Webshops und ihrer internationalen Distribution. Während dessen ringen rund 300.000 mittelständische Handelsfirmen in Deutschland im Wettbewerb um jeden Kunden.

Wo viel Licht ist, ist auch Schatten

Nach Einschätzung des HDE müssen sich mindestens 50.000 Händler um ihre Existenz sorgen. Davon bleiben selbst namhafte, börsennotierte Traditionsfirmen nicht verschont: Das ostwestfälische Modeunternehmen Gerry Weber International AG hat am 25. Januar 2019 beim Amtsgericht Bielefeld Insolvenz angemeldet. Wie Gerry Weber-Vorstand Florian Frank in einer Pressemitteilung verlauten ließ, soll das Verfahren in Eigenregie erfolgen und zum Ziel haben, das Familienunternehmen im Zuge der laufenden Restrukturierung zu sanieren. Laut Branchenkennern könnte das Ende 2015 in Betrieb gegangene Logistikzentrum des Unternehmens völlig überdimensioniert sein. Bei einem Investitionsvolumen von 90 Millionen Euro eine wahrscheinliche Annahme. Gefragt sind deshalb umso mehr wachstumsfreundliche, gut skalierbare Lösungen. Nachhaltiges Volumen-Wachstum in den Sparten Fashion und Elektronik erlaubt es, Lager- und Kommissioniersysteme vorausschauend zu erweitern und produktspezifisch zu automatisieren.

Logistikdienstleistung wächst mit

Der E-Commerce bleibt Wachstumstreiber Nummer eins für die Paketlogistik, vor allem im B2C-Bereich. Aber: „Die größten Wachstumshindernisse sind der eigene Erfolg und die Logistik“, sagt Christoph Wenk-Fischer, Chef des Bundesverbandes E-Commerce (bevh). „Verspätete oder gar ausbleibende Lieferungen in Spitzenzeiten sind ein Problem.“ Wurden im Jahr 2016 ungefähr 3,2 Mrd. Express- und Kurier-Sendungen in Deutschland versendet, sollen es 2021 bereits 4 Mrd. Sendungen sein, geht aus der KEP-Studie vom Bundesverband Paket und Expresslogistik e.V. hervor. Damit entwickelt sich die Paketlogistik zu einem Flaschenhals, stößt sie doch auf einem prosperierenden Arbeitsmarkt auch personalmäßig an ihre Grenzen. Noch sind exotische Lösungen wie Paketzustellungen per Drohne oder Roboter Zukunftsmusik – schon bald könnten sie zum Alltag gehören.

Textautoren: Stefan Gärtner, Egbert Sass