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LogistikPlan-Studie zur Krankenhauslogistik

Operation Lean Hospital 4.0: Potenziale zur Pflegeentlastung und Prozessoptimierung

Wie eine aktuelle Untersuchung zur Logistik in Krankenhausstationen zeigt, rauben „patientenferne“ Tätigkeiten immer noch rund ein Drittel der Arbeitszeit von Pflegkräften. In der Studie verweist das Beratungsunternehmen LogistikPlan auf Lösungsansätze zur Verschlankung, Standardisierung und Digitalisierung von Prozessen, die in der Industrie- und Handelslogistik längst bewährt sind.

LogistikPlan-Studie Krankenhauslogistik 2020
│ Die Autorin

Stefanie Gude studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit Vertiefung Logistik an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig). Ihre bei LogistikPlan erstellte Masterarbeit, deren Schwerpunkt die hier vorgestellte Studie beinhaltet, erhielt an der HTWK Leipzig die Bestnote 1,0. Seit 2019 arbeitet die Dresdnerin als Ingenieurin im Kompetenzfeld Health Care bei LogistikPlan. Zu ihren Projektschwerpunkten zählen Konzepte zum Lean Management und zur Intralogistik bei Industriekunden – ebenso wie Logistikplanungen für das Universitätsklinikum Dresden, für den Medizintechnik-Hersteller Eppendorf und die Vivantes-Gruppe in Berlin.

Stefanie Gude


LogistikPlan-Studie Krankenhauslogistik 2020
│ Zahlen & Fakten

Im Rahmen der nicht repräsentativen Studie wurden 20 Normalstationen aus den Fachbereichen Chirurgie und Innere Medizin in acht Allgemeinkrankenhäusern befragt. Ausgewertet wurden 16 Teilnehmer. Die Datenerhebung erfolgte schriftlich mittels standardisierter Fragebögen zur technischen und organisatorischen Gestaltung der Prozesse in den Bereichen Medizinprodukteversorgung, Speise- und Getränkeversorgung, Arzneimittelversorgung, Wäscheversorgung, Transport und Dokumentation.

An der Umfrage beteiligten sich Krankenhäuser aller Versorgungsstufen (Regel-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung). 44 Prozent der Befragten gehören Häusern mit mehr als 1000 Betten an, 19 Prozent stammen von Häusern mit 601 bis 1.000 Betten. Ein Viertel der Stationen gehören zu Krankenhäusern mittlerer Größe mit 301 bis 600 Betten, zwölf Prozent gehören kleineren Häusern mit 50 bis 300 Betten an.

Bei der Analyse zum Zeitaufwand der Pflegefachkräfte für logistische Aufgaben hat die nichtrepräsentative Befragung von 20 Stationen in den Fachbereichen Chirurgie und Innere Medizin überraschende Zahlen ergeben: Pflegemitarbeiter wenden noch 60 bis 90 Minuten pro Tag allein für die Materialversorgung auf – von Medizinprodukten und Arzneimitteln über Speisen und Getränke bis hin zur Wäsche. Hinzu kommen gut 80 Minuten für Dokumentationsaufgaben, das sind in Summe 32 % ihrer täglichen Arbeitszeit.

Grafik: Zeitaufwand der Pflegekräfte für Logistik und Doku (© LogistikPlan Studie Krankenhauslogistik)Grafik: Zeitaufwand der Pflegekräfte für Logistik und Doku (© LogistikPlan Studie Krankenhauslogistik)

Zwar haben viele Kliniken bereits moderne Logistiklösungen eingeführt, doch aus Sicht der Stationen werden zahlreiche Defizite bei der Umsetzung der Konzepte benannt. LogistikPlan untersuchte in der Studie, wie die Krankenhauslogistik von bewährten Konzepten aus der Industrie- und Handelslogistik profitieren kann, vor allem im Bereich der Digitalisierung, Automatisierung und des Lean Managements.

"Wie sind ständig am Holen oder Bringen"

Ein hoher Anteil des Logistikaufwandes entsteht beim Transportieren, Bereitstellen und Verwalten der Lager- und Nachschubmengen. So erfolgt die Sortierung und Ausgabe der Arzneimittel in 90 % der befragten Krankenhäuser noch nicht durch Kommissionierautomaten, sondern per Hand. Für den Transport von Laborproben nutzen nur Häuser mit mehr als 600 Betten ein Rohrpostsystem, während die Pflegefachkräfte in kleineren Häusern entsprechende Zeit für Botendienste aufwenden müssen. In der Wäscheversorgung kritisierten mehrere Befragte die Liefer- und Termintreue ihrer Dienstleister, so dass sie mitunter auf den Lagerbestand aus anderen Stationen zurückgreifen müssen. „Wir sind immer noch ständig mit Holen oder Bringen beschäftigt“, sagte eine Pflegeleiterin.

Zu den Ursachen gehören der geringe Organisations- und Digitalisierungsgrad von Prozessen, aber auch die oft ungeregelte Überlappung von Pflege- und Serviceaufgaben. Vor allem bei Dokumentationstätigkeiten belegt die LogistikPlan-Studie einen Mangel an Prozess-Standardisierung und Software-Unterstützung. So wird der tägliche Bedarf für Medikalprodukte oder Arzneimittel in fast allen untersuchten Kliniken nach wie vor manuell erfasst und anschließend am PC übertragen, beispielsweise in das Materialwirtschaftssystem oder das Bestellsystem der Apotheke.

Grafik: Schrankverwaltung mit RFID (NoCount® von Scanmodul)Grafik: Schrankverwaltung mit RFID (NoCount® von Scanmodul)

Logistische Expertise muss zur Selbstverständlichkeit gehören

Dabei gewinnen Lösungen zur Digitalisierung und Automatisierung in der Kliniklogistik unter dem Begriff Krankenhaus 4.0 an enormer Bedeutung. „Das Ganze ist keine Utopie“, sagt LogistikPlan-Ingenieurin Stefanie Gude. „RFID-Systeme haben sich beispielsweise zur Identifikation von Patienten, zur Steuerung der Wäschelogistik oder zur automatischen Materialerfassung und Dokumentation auch in Hygienebereichen inzwischen längst bewährt.“ Heutige Krankenhäuser stehen mit ihren vielfältigen Materialflüssen und Personenströmen der Industrielogistik hinsichtlich Komplexität in nichts nach. Deshalb müsse „die Einbindung von logistischer Expertise zur Selbstverständlichkeit gehören, beim Klinikneubau genauso wie bei einer Erweiterung oder Modernisierung im laufenden Krankenhausbetrieb.“

│ Text: Stefanie Gude
│ Fotos: Integromed, Scanmodul, LogistikPlan