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Chemie - Gefahr gut gelagert – Strukturwandel logistisch begleitet

Kaum eine Branche muss so langfristig planen wie die Chemieindustrie

Kaum eine Branche muss so langfristig planen wie die Chemieindustrie. Der hohe Anteil an kapitalintensiven Produktionsanlagen zwingt die Unternehmen langfristig zu denken und zu investieren. Dennoch müssen sich Fabrik- und Logistikkonzepte – angesichts der dynamischen Marktbedingungen und weltweiten Preisschwankungen für Rohstoffe und Energie – durch hohe Effizienz und Wandlungsfähigkeit auszeichnen. 

Die Fabrikplanungsexperten im LogistikPlan-Kompetenzfeld Chemie begleiten einen international führenden Zulieferer der Halbleiterindustrie bereits seit mehr als 10 Jahren bei der Entwicklung seiner Produktionsstätten. Jetzt haben die LogistikPlaner für einen ostdeutschen Standort eine komplett neue Struktur der Lager- und Werkslogistik gestaltet.

Am Anfang aller Wertschöpfungen steht die Chemie, könnte man sagen. Seien es Kunststoffe, Mineralöle oder Elektrogeräte – überall stecken chemisch aufbereitete Stoffe drin. So auch bei den gefragten Hochtechnologien, die auf Basis moderner Halbleiter hergestellt werden. Ihr wichtigstes Material steckt in Computern ebenso wie in Smart-phones, Flachdisplays und Solarmodulen: Silizium. Zu seiner Gewinnung und Verarbeitung in speziellen Reinräumen sind neben dem Reinstsilizium auch verschiedenste Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe unabdingbar.

Für die Werkslogistik kein triviales Umfeld. Denn die Produktion und deren logistische Versorgung erfolgt in den meisten Standorten rund um die Uhr im Dauerschichtbetrieb. Besonders brisant: Viele der verwendeten Flüssigkeiten und Feststoffe stellen aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften erhöhte Anforderungen an Transport, Lagerung, Chargierung und Verarbeitung. Zudem müssen die Halbleiter-Hersteller dank dem dynamischen Markt- und Technologiewandel ihre Lager-, Transport- und Produktionslogistik unablässig optimieren. Für die Werksleitung eines in Sachsen tätigen Spezialchemie-Unternehmens war diese Herausforderung Anlass genug, LogistikPlan mit einem Konzept für eine komplette Reorganisation und Konzentration der werksinternen Lagerflächen zu beauftragen.

Besonderes Augenmerk galt dabei der Lagerplanung für chemische Gefahrstoffe und brennbare Lagergüter – zum Beispiel für hochvolumige Kunststoffbehälter. Grundlage des Konzeptes bildete die Hochrechnung der Produktions-, Lager- und Materialflussmengen in einem Planning Model. So heißt ein spezielles Tool, mit dem LogistikPlan das logistische Mengengerüst für den Hochlauf von Produktionssystemen kalkuliert – in diesem Fall bis zum Jahr 2020.

Um innerhalb der gewachsenen Werksstruktur mit Hanglage (!) eine optimale Standortlösung zu finden, bedienten sich die LogistikPlaner ihrer gut bewährten, systematischen Vorgehensweise: der multikriteriellen Variantenplanung. Hier waren zentrale und dezentrale Strukturvarianten ebenso zu untersuchen wie verschiedene Standortoptionen:

  • Lagerstandort in einem umzubauenden Bestandsgebäude
  • Lagerstandort auf einer werksinternen Neubaufläche oder
  • Lagerstandort auf einem externen Standort mit Betrieb durch einen Logistikdienstleister
Kurze Wege und niedrige Kosten

Bei der Entwicklung und Diskussion der Lösungsansätze spielen Praxiserfahrungen auf Kunden- und Beraterseite eine ebenso wichtige Rolle wie vorhandene und perspektivische Flächenbedarfe, bauliche Gegebenheiten und strategische Leitlinien. So schied die Variante für ein werksinternes Neubau-Zentrallager frühzeitig wieder aus. Obwohl der „Grüne-Wiese“-Neubau eines Zentrallagers die beste Lösung für eine effiziente Lagerlogistik wäre, galt die Nutzung des letzten freien Baufelds im Werksgelände als großer strategischer Nachteil; letztlich würde dadurch die Chance verbaut, langfristig die Fläche für mögliche Produktionsaufgaben der Zukunft einzusetzen.

Unter dem Blickwinkel von Aufwand und Nutzen – quantifiziert mit den Zielkriterien einer Nutzwertanalyse – ergab sich schließlich die Umnutzung eines Bestandsgebäudes als Vorzugsvariante. In dem vor mehr als 10 Jahren erbauten, inzwischen zu kleinen und (reinraum-) technisch veralteteten Produktionsgebäude entsteht nun ein hochmodernes Hochregallager. In der zonierten Lagerstruktur kommen verschiedene Warengruppen unter – dank Schmalgangstapler und kompakter Verschieberegal-Anlage ist das Lagervolumen schrittweise auf bis zu 3.000 Stellplätze ausbaufähig.

Zwar sind die Investitionskosten zum Umbau der Altbauvariante kaum niedriger als bei einem Neubau, aber mit kompletten Ausrüstungskosten von weniger als 120 Euro je Stellplatz hat diese Lösung eine insgesamt gut vertretbare Wirtschaftlichkeit. Gegenüber einem Neubau am Rand oder gar außerhalb des Werksgeländes bietet diese Variante noch einen anderen, enormen Vorteil: Sehr kurze Wege zur Produktionsversorgung, denn ca. 75 % des Lagervolumens können dem benachbarten Produktionsgebäude nun auf kürzestem Weg zugeführt werden.

Sichere Lagerung – Werkslogistik in trockenen Tüchern

Neben dem Zentrallager zur Produktionsversorgung sieht das Konzept ein separates Chemikalienlager für Gefahrstoffe vor. „Chemie ist, wenn es knallt und stinkt!“ Den Kalauer vernahm fast jeder im Chemieunterricht. Nur sind derartige chemische Reaktionen in einem Gefahrstofflager höchst unerwünscht. Es gilt, sie bereits im Planungsstadium auszuschließen. Die Liste, die dabei akribisch abgearbeitet werden muss, ist lang und präzise formuliert.Der Gesetzgeber redet bei Stoffen, die besonderen Deklarationspflichten unterliegen, ein gehöriges Wort mit. Umwelt-, Gesundheits- und Brandschutz stehen ganz oben auf seiner Agenda. Alle gelagerten Gefahrstoffe müssen eindeutig gekennzeichnet sein, nur Befugte dürfen Zugang haben. Bei bestimmten Chemikalien existieren sogenannte „Zusammenlagerungsverbote“, damit sich keine explosiven Mischungen bilden können. Ob nun Salz-, Salpeter- und Flusssäure, Wasserstoffperoxyd oder Phosphor – sorgsamster Umgang ist oberste Pflicht. Auch die Standortwahl des neuen Gefahrstofflagers ist optimal: Abseits der häufig befahrenen Verkehrswege finden die rund 300 Paletten und Tankbehälter jetzt einen verkehrs- und bautechnisch geschützten Platz für die langfristig sichere Lagerung.

Inzwischen wird das gemeinsam vom Auftraggeber und LogistikPlan präferierte Lagerstrukturkonzept für das Produktions- und das Gefahrstofflager bereits umgesetzt. Das Gefahrstofflager befindet sich in der Bau-genehmigungsphase und hat so im Projektablauf die erste Halbzeit absolviert. LogistikPlan begleitet die Realisierung des Lagerbaus nun bis zur Inbetriebnahme, kümmert sich um alle technischen und logistischen Details und ermöglicht es so dem Produktionsunternehmen, sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren.

Fazit:

Alle Planungslösungen haben den Auftraggeber überzeugt. Das Lagervolumen des Produktionsmaterials kann entsprechend dem Bedarf der Produktion mitwachsen und liegt dicht am Verbrauchsort. Die Gefahrstoffe sind gut und sicher gelagert. Und last but not least: der Strukturwandel des Unternehmens bis 2020 ist – werkslogistisch gesehen – bereits jetzt in trockenen Tüchern.